19.02.2018
Bürgermeister Arnold-Richard-Lenz und die Vorsitzende der Christlich-Jüdischen Gesellschaft, Christa Pullmann
Gegen das Vergessen:
Info-Tafel am Jüdischen Friedhof in Weyer enthüllt
Informationsbedarf zur örtlichen jüngsten Geschichte wurde offenkundig
Der Förderverein Heimatmuseum Weyer e.V. stellte mit
Unterstützung der Christlich-Jüdischen Gesellschaft, Limburg ein neues
Informations-Schild am Alten Jüdischen Friedhof von Weyer auf. Es soll auf
die altehrwürdigen Grabstätten und die Kultur der ehemaligen Jüdischen
Gemeinden von Weyer, Oberbrechen, Münster und Wolfenhausen aufmerksam machen
und mithelfen, die Erinnerung an die in der NS-Zeit umgekommenen Bürger
mosaischen Glaubens wach zu halten.
Im Rahmen einer Feierstunde mit musikalischer Begleitung durch den Limburger
Klezmer-Musikanten Sören Thies, begrüßte der Vorsitzende David Heitmeyer die
Teilnehmer und viele Ehrengäste aus der Lokal-Politik.
Als
Personen des öffentlichen Lebens waren neben Arnold- Richard Lenz u.a. die
Bürgermeisterkandidaten Matthias Rubröder (CDU), Axel Paul (AAV) (Bild
rechts) und Andreas Städtgen erschienen. CDU-Parlamentsvorsitzender Ludger
Behr, ließ sich entschuldigen. Auch der katholische Pfarrer aus Villmar /
Brechen nahm an der Feierstunde zum Gedenken an die Jüdische Gemeinde leider
nicht teil.
Noch zum Jahreswechsel 2017/18 waren Bürgermeister Lenz und CDU Kandidat
Rubröder wegen mangelnder Kenntnis der heimischen Ortsgeschichte und
fehlendem Respekt vor der Jüdischen Gedenkstätte am Friedhof in Villmar in
die Kritik geraten. Beide Lokalpolitiker nahmen wohl vermutlich deshalb
gerne die Gelegenheit wahr, mit ihrer Anwesenheit in Weyer möglichen
Missverständnissen über ihr Kultur- und Ortsgeschichtsverständnis vor den
anstehenden Bürgermeisterwahlen entgegen zu wirken.
Beinahe wäre ihr demonstratives Bekenntnis Gegen das Vergessen schon wieder
daneben gegangen: Die Kommunalpolitiker aus Villmar, mit Ausnahme von
Bürgermeisterkandidat Andreas Städtgen, hatten nämlich vergessen, eine
Kopfbedeckung zum Besuch des Jüdischen Friedhofs mitzubringen.
Glücklicherweise konnte die Vorsitzende der Christlich-Jüdischen
Gesellschaft, Christa Pullmann, die Situation retten und mit passenden
Kippas aushelfen.
Informationsbedarf zur örtlichen jüngsten Geschichte der Juden wurde
offenkundig
Ulrich Finger, evangelischer Geistlicher in Weyer, selbst "Heimatforscher"
und SPD-Gemeindevertreter in Münster-Selters, sprach zur Einweihung über
"glauben und erinnern". Es entbehrte allerdings nicht einer gewissen
Peinlichkeit nur, dass auch er als Theologe - barhäuptig zum Ortstermin
erschienen war. Ebenfalls schien wenig einfühlsam, dass er darüber hinaus
zum Gedenken an die Jüdischen Gemeinden auch noch den erwiesenen Judenhasser
Martin Luther meinte zitierten zu müssen. Schon fast peinlich, dass dem
Kirchenmann nach drei Dienstjahren in der Evangelischen Gemeinde Münster /
Weyer scheinbar zudem nicht bekannt schien, dass die heimischen
Kirchengemeinden noch bis 1817 der aufgeklärten Reformierten Evangelischen
Glaubensrichtung von Calvin anhingen, der im Gegensatz zu Luther ein
tolerantes Verhältnis zu den Juden pflegte. Ein historisches Momentum,
gerade für diesen Anlass, dass Urs Datum auf Bitte der Vorsitzende der
Christlich-Jüdischen Gesellschaft, Christa Pullmann, vor Ort ergänzen
konnte.
Doch zurück zur Feierstunde: David Heitmeyer Vorsitzender des Fördervereins,
erläuterte eingangs die Aufgaben und Zielsetzungen des Vereines. Immerhin
entsteht im Obergeschoß der Volkshalle Weyer ein echtes Dorf-Museum und
Orts-Archiv, nachdem die seit Jahrzehnten betriebene "Heimatstube" im Keller
des Gebäudes aus allen Nähten platzt.
Anschließend berichtete Vorstandsmitglied Gertrud Brendgen von der Idee der
Informationstafel am Alten Jüdischen Friedhof bis zur praktischen Umsetzung.
Dass ihr dabei als Neubürgerin die weit über den Tellerrand Weyer
hinausreichende Jüdische Lokal-Geschichte, historische Zusammenhänge und
Verflechtungen mit den Nachbargemeinden Münster, Wolfenhausen, Blessenbach
und LaubusEschbach verborgen blieb, steht für ein künftiges Recherchefeld
des Fördervereins und neuen Weyer Museum.
Wegen der Informationsdefizite konnte von den Teilnehmern abschließend
leider nur den Weyerer und Oberbrechener Holocaust-Opfern gedacht werden,
obwohl z.B. die beiden Münsterer Ehepaare Lichtenstein und Hess natürlich
ebenso der Weyerer Kultusgemeinde angehörten. Sie wurden genau wie drei
Weyerer Frauen der Familie Blumenthal 1941 nach Frankfurt deportiert, um
anschließend über Theresienstadt nach Treblinka als Opfer der Nazidiktatur
verbracht zu werden.
Aus gegebenem Anlass werden die Laubustal- Nachrichten über die Geschichte
der Juden in Weyer / Münster und der heimischen Region einen gesonderten
Bericht vorbereiten.