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15.05.2012  Naturdenkmal auf dem Friedhof Weyer

Im vergangenen Jahr wurde die "Alte Rosskastanie" auf dem Weyerer Friedhof, ein seltenes Prachtexemplar dieser schönen Spezies von Parkbäumen, Opfer der Kettensäge Geschichtsvergessener "Baumpfleger".
Die imposante Statur des Baumriesen trägt von dieser unsachgerechten "Pflege" schwere Narben und Verstümmelungen davon. Die verantwortliche Gemeindeverwaltung hat scheinbar versäumt, sich in den Akten der früher dafür zuständigen Pfarrei über Alter und Geschichte des außergewöhnlichen Baumes schlau zu machen.

Die altehrwürdige Rosskastinie wurde 1854 zur Verschönerung des neu erweiterten Friedhofs, mit weiteren Exemplaren dieser beliebten „Zier- und Parkbäume“, vom evangelischen Kirchspielpfarrer Franz Adolf Köster auf eigene Kosten gepflanzt.
Pfarrer Köster entstammte einer vermögenden Kaufmannsfamilie aus Frankfurt, war Bewunderer des großen Naturwissenschaftlers Alexander von Humboldt und brachte fortschrittliche Ideen und frischen Wind in die Dörfer des rückständigen und bildungsfernen Dekanats Runkel.
Die gegenüber Neuerungen stets misstrauischen Dorfvorstände, wollten dem geistlichen Kulturfreund und Schöngeist nicht immer ohne weiteres folgen. Deshalb finanzierte Köster manches Vorhaben aus eigener Tasche und setzte sich gegen Bedenkenträger in Kirche und Zivil-Gemeinde souverän durch.
Köster spendete in seiner Dienstzeit in Weyer und Münster u.a. eine Gemeindebibliothek und gründete den ersten Lese- und Literaturkreis im Dorf.
Er initiierte einen Armenfond und die Wohlfahrtshilfe (Diakonie), beendet die verbreitete Kinder-Bettelei und sorgte dafür, dass für die Kirchenchöre spezielles Chorgestühl in die Kirchen eingebaut wurde.
Als seine geliebte Frau Antonie 1857 unerwartet verstarb stiftete er zu ihrem Gedenken den „Antonienfond“ zur finanziellen Unterstützung der Schulbildung bedürftiger Kinder der Gemeinde. Das Grabmahl für seine geliebte Frau ließ Köster vom berühmten Bildhauer Leonhardt aus Villmar anfertigen.
Kaum ein Pfarrer des evangelischen Dekanats hat derart weitsichtig und erfolgreich Sozialmaßnahmen getroffen und nachhaltige Spuren in den Gemeinden des Dekanats hinterlassen.
Köster verließ 1858, ein Jahr nach dem Tod seiner Frau das Kirchspiel Münster-Weyer und übernahm die Reformierte Gemeinde von Erlangen.
Er verstarb drei Jahre später am 6.Mai 1861 im Alter von 49 Jahren in Erlangen.
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Die Friedhofs-Kastanie des Pfarrer Köster ist ein ebenso wertvolles Naturdenkmal wie die alte Linde auf der Guckelmühle oder die beiden Friedhofs-Kastanien von Runkel-Hofen, die wohl ebenfalls auf Pfarrer Köster zurückgehen, der vor seinem Amt in Weyer / Münster bereits Pfarrer in der evangelischen Kirchengemeinde Runkel war.
Hier Bilder der Linde einst und jetzt an der ehemaligen Guckelmühle,
die vor ca. 300 Jahren vom damaligen Mühlenbesitzer Bruchhäuser gepflanzt wurde. Der Name des Mühlenhofs erinnert an den untergegangen Weiler Bruchhausen.