10.03.2016

Bilden die Wahlergebnisse den Wählerwillen tatsächlich korrekt ab?

Stimmenergebnisse und daraus resultierende Besetzung der Gremien

Vom britischen Premierminister Sir Winston Churchill stammt das Zitat: "Glaube nur der Statistik und Ergebnissen, die Du selbst gefälscht hast." Dieser Spruch ist nicht allein dem Zynismus der Briten geschuldet sondern auch Ausdruck Jahrhunderte langer Erfahrung Britanniens und der angelsächsischen Nationen mit der parlamentarischen Demokratie. Im Land des Mehrheitswahlrechts, kann nämlich, im Gegensatz zum deutschen Verhältniswahlrecht schon eine einzige Stimme über Sieg oder Niederlage entscheiden. "The winner takes it all" Der Gewinner bekommt alles. Das birgt für die beteiligten Parteien und Wahlkämpfer ein hohes Risiko. Alle Mühen und Kosten der Bewerbung können nach Auszählen der Wahlurnen vergebens gewesen sein.

Das ist in der Bundesrepublik anders. Hier fallen die Stimmen der unterlegenen Parteien nicht unberücksichtigt unter den Tisch, sondern erhalten über die Parteilisten eine zweite Chance auf ein Mandat.

Unter diesem Aspekt liegt es nahe, die Besonderheiten bei den Kommunal-Wahlen 2016 in Selters etwas genauer unter die Lupe zu nehmen. Ohne damit aber den Wahlparolen der SPD zu folgen, die sich im Wahlkampf auf "Mehr Transparenz" und "Stark mit.." aus dem Fenster lehnte.

 

Beginnen wir mit dem positiven Phänomen der Kommunalwahl 2016:

1. Die Wahlbeteiligung: Der enorme Anstieg der Anzahl der beteiligten Wähler in der Gemeinde Selters insgesamt war nicht nur im Kreis LM - WEL absolut Spitze, sondern hat in ganz Hessen aufhorchen lassen. Keine andere Kommune erreichte einen Wählerzuwachs von + 26,7 %,  also mehr als ein Viertel der gültigen Stimmen. Die Wahlbeteiligung gemessen an den Wahlberechtigten stieg von 42,5 % in 2011 auf 53,0 % 2016. Ob das allein dem strittigen Thema "Ärztehaus" in Niederselters geschuldet war, oder die Faktoren Windpark-Projekte in Haintchen und Münster oder die erstmals beteiligte Partei UWE Unabhängige Wähler Eisenbach dafür verantwortlich waren, bleibt dahin gestellt.

Übrigens lag die Wahlbeteiligung in Selters schon einmal 1997  bei 54,9 % und in den Kommunalwahlen davor war sie ebenfalls höher als heute. Als Ursache dafür gelten die zunehmende Austauschbarkeit und Übereinstimmung der politischen Themen und Wahlparolen der Parteien. SPD und CDU unterscheiden sich kaum noch in ihren Wahlaussagen. Außerdem scheinen sich viele Wähler auch vor den riesigen Wahlzetteln zum Panaschieren und Kumulieren so zu erschrecken, dass sie erst gar nicht zur Wahl gehen. Mit solchen Riesenpostern in engen Wahlkabinen zu hantieren ist eher abschreckend als förderlich.

Im Einzelnen ergab die Wahlbeteiligung in den Ortsteilen:

Niederselters 56,1 %, Eisenbach 44,1 %, Haintchen 65,9 %, Münster 58,5 %

 

2. Sitzverteilung: Aufgrund der außerordentlich hohen Wahlbeteiligung, haben einzelne Parteien und

    Ortsteile trotz beachtlichem Stimmenzuwachs, dennoch Mandate verloren.

  a.) z.B. die CDU: Die Union hat zwar + 6,2 % Stimmen dazu gewonnen von 40.223 in 2011 auf 42.731 jetzt

       in 2016. Verliert aber trotzdem 2 Mandate und ihre Absolute Mehrheit von 16 Sitzen im Parlament. Sie

       bleibt aber weiter mit Abstand stärkste  Fraktion und wird auch wieder den Vorsitzenden der

       Gemeindevertretung stellen.

 b.) Ähnliches passierte der SPD: Sie verbessert ihr Stimmenpotential um + 1,5 % auf 19.985 Stimmen 2016,

      muss sich aber mit dem Verlust von weiteren 2 Mandaten auf jetzt 6 Sitze abfinden. Die SPD Selters

      wurde  für die Politik ihrer Kreis-Genossen und der Landespartei bitter bestraft. Sie ist innerhalb von

      zwei Wahlperioden auf das Niveau von Minderheiten-Parteien wie die GRÜNE oder die Freien Wähler

       zusammengeschrumpft.

c.) Zwiespältig waren auch Ergebnisse und Sitzverteilung bei den Freien Wählern der einzelnen Ortsteile. Zur

     Wahl 2016 hatten sich die FW Ortsgruppen von Haintchen, Münster und Niederselters zur FW-Selters

     zusammengeschlossen. Das brachte der "Freidenker"-Partei ein Stimmenplus von + 10,3 % auf 19.247,

     kostete aber trotzdem ein Mandat des Ortsteils Münster, weil der wesentlich größere Ortsteil Eisenbach mit

     UWE auf Anhieb 16.063 Stimmen auf sich ziehen konnte. Mit einem Wähleranteil von 16,4 % in der

     gesamten Großgemeinde, hat UWE ein beeindruckendes Ergebnis geschafft und mit Recht 5 Sitze dafür im

     Gemeindeparlament geholt. Am Block der 11 Mandate der Freien Wählergemeinschaften wird künftig kaum

     eine Entscheidung vorbei gehen. Die Wahlverlierer CDU und SPD müssen in Zukunft stärker den je, auf die

     besonderen Interessen der Freien Wähler in den Ortsteilen eingehen.

 

3.  Ortsbeiräte: Interessant werden künftig die neuen  Kräfteverhältnisse in den verschiedenen Ortsbeiräten

     zu beobachten sein. Noch deutlicher als in der Gemeindevertretung wird die UWE im Ortsbeirat Eisenbach

     künftig die Richtung bestimmen. Sie haben auf Anhieb die Absolute Mehrheit von 51,7 % erreicht und

     stellen 4 von 7 Mandatsinhaber.

     Einen furiosen Einstieg in die Gemeindepolitik hatte der neue SPD Kandidat und Ortsgeistliche von Münster:

     Marmelade-Pfarrer Ulrich Finger. Dank seiner Popularität lockte er genügend Wähler an die Wahlurnen, dass

     er gleich an 3. Stelle für SPD Münster in die Gemeindevertretung einziehen konnte, was mit einer

     Wahlbeteiligung von 58,5 % und der absoluten Mehrheit im Ortsbeirat Münster von 53,6 % zu Buche stand.

     Haintchen hält in Selters traditionell die höchste Wahlbeteiligung, diesmal mit 65,9 %. Die CDU bleibt dort

     in der Absoluten Mehrheit, doch die Freien Wähler haben bereits mit 47,9 % dicht aufgeschlossen.

     Im Ortsbeirat Niederselters sind insgesamt 7 Sitze zu vergeben. Es blieb dort unverändert bei 4 Sitzen für

     die CDU, 2 für die SPD und einer für die FWS.

 

4. Kreistagsdelegierte: Die CDU Selters entsendet auch 2016 wieder 3 prominente Kommunalpolitiker in den

    Kreistag LM - WEL. Gewählt wurden Dr. Norbert Zabel mit 29.180 Stimmen auf Platz 3 der Ergebnisliste, auf

    der er nur auf Platz 10 gesetzt war und damit sein gutes Vertrauen bei den Wählern unter Beweis stellte.

    Auch Willi Hamm schnitt mit dem 14. Platz gut ab. Als dritter CDU Vertreter aus Selters ist Manuel Böcher

    in Kreistag eingezogen.

    Für die SPD ist diesmal Judith Hautzel aus Selters-Haintchen auf Platz 10 gelandet, obwohl sie an 6. Stelle

    in der Wahlliste geführt wurde. Welche Popularität das frühere SPD Mitglied aus Selters-Münster, heute

    in Runkel wohnhafte, Dr. Manfred Birko immer noch besitzt, zeigt sein Platz 6 bei den Stimmen der SPD-

    Wähler, obwohl man ihn auf Platz 28 quasi verstecken wollte. Rüdiger Weil hat es diesmal nicht in den

    Kreistag geschafft, aber er steht auf dem vordersten Nachrückerplatz und wird ggf. eine 2. Chance

    bekommen.

    Fazit: Trotz einer ungewöhnlichen Steigerung der Wahlbeteiligung in Selters, stellt die Gemeinde 2016 nur

    noch vier Abgeordnete im Kreistag. Drei von der CDU und eine von der SPD. Von den Freien Wählern hat es

    aus Selters kein Bewerber in den Kreistag geschafft. Dafür sind dort jetzt jede Menge Bürgermeister und AfD

    Funktionäre eingezogen. Eine fragwürdige Entwicklung die weitere Beobachtung herausfordert.